Deutschland ist reich – und arm zu gleich. So steht es in einem Bericht der Europäischen Zentralbank (EZB) (1) oder verständlicher zusammengefasst in der „Süddeutschen Zeitung“ (2). Die Details kann jeder selber nachlesen. Ein wichtiger Punkt: 10% der Bevölkerung besitzen über 50% des Vermögens und die Schere geht immer weiter auseinander. Ein europäisches Problem? Ja, aber auch ein Problem in jedem einzelnen Ort in Deutschland. Es ist ja so: Wenn in einem Raum mit zwei Personen einer zwei Brote hat und der andere keines, so sagt die Statistik: Im Durchschnitt hat jeder ein Brot. Insofern muss man genauer hinschauen und man findet eine spannende Statistik in dem Bericht der EZB.
In Europa liegt das mittlere Vermögen bei rund 104.000 Euro (Mieter und Hausbesitzer zusammen). In Deutschland liegt dieser Wert allerdings nur bei 60.000 Euro. Armes Deutschland? Wenn man den Vergleich zu einigen Ländern zieht, die auf EU-Finanzhilfen angewiesen sind oder waren, dann kommt man schon ins Staunen. Der Median(3) liegt in Griechenland bei 65.000, Portugal bei 70.000 Euro, Spanien bei 160.000 Euro.
Spannend für uns „reiche“ Deutsche ist dabei, dass der Anteil der Hausbesitzer in Deutschland mit 40% nach wie vor gering ist. „In Südeuropa liegt diese Quote bei mehr als 70%. Und Wohnungseigentum bedeutet, jedenfalls wenn der Kredit irgendwann abbezahlt ist, netto ein Vermögen, das ein Mieter nicht hat.“ So die Süddeutsche.
2005 ist die staatliche Förderung des Baues eines Eigenheims zur Selbstnutzung beendet worden. Die „Eigenheimzulage“ gab es seitdem für Neufälle nicht mehr. Vermögensbildung ist derzeit kein Thema mehr. Die Süddeutsche zitiert den Wirtschaftsweisen Bofinger: „Die Ergebnisse zeigen, dass die deutsche Vermögensbildungspolitik verfehlt ist. In Deutschland ist die Eigentumsquote bei immobilien extrem gering. Der Staat hat das zu wenig gefördert. Stattde3ssen förderte der Staat Versicherungen zu stark. So haben viele Menschen die Chance verpasst, in den Immobilienmarkt einzusteigen.“
In Niedersachsen gibt es eine Förderung des Erwerbs von Wohneigentum nur in Zusammenhag mit energetischer Sanierung (4). Außerdem ist diese Förderung an eine ganze Reihe von weiteren Bedingungen geknüpft. So wird hier weder ein Impuls zur Vermögensbildung noch zur Behebung des Mangels an bezahlbaren Wohnungen gesetzt. Um die aktuelle Wohnungsnot zu beheben, greift man auf den lange vernachlässigten und nur gering geförderten sozialen Wohnungsbau als Mietwohnungsbau zurück.
Aber ist der soziale Wohnungsbau als Mietwohnungsbau wirklich sozial? Müsste ein sozialer Wohnungsbau, der nachhaltig Menschen helfen will, nicht eigentlich einen (sozialen) Weg zum Eigentum weisen? Denn am Ende eines Lebens hat der eine, der mit Eigentum, mit seinem Geld ein Haus finanziert. Der andere, der immer zur Miete gewohnt hat, hat mit seinem Geld die Existenz eines (sozialen) Wohnungsbauunternehmens gesichert.
Natürlich muss es sozialen Wohnungsbau als Mietwohnungsbau auch weiter geben. Daher ist es gut, dass auch in Ganderkesee Wohngebiete ausgewiesen werden, in denen vorgeschrieben ist, dass ein bestimmter Anteil an Sozialwohnungen errichtet werden muss. Aber wenn man Menschen mit geringem Einkommen auf die traditionelle Weise hilft – zum Beispiel mit Wohngeld als Zuschuss zur Miete – dann ist eines sicher: sie bleiben arm. Der Zuschuss geht an den Vermieter. Also muss parallel zum „sozialen Wohnungsbau“ auch wieder eine Förderung her, damit Menschen sich ein Vermögen aufbauen können – wie die Eigenheimzulage.
Und in Ganderkesee? Hier wird ja kein Bundesrecht gemacht (außer wenn unsere Bundestagsabgeordneten das als Auftrag mit nach Berlin nehmen!). Aber untätig muss man hier nicht sein.
Vorschlag: Die Gemeinde Ganderkesee baut Häuser für Familien. Niemand bekommt so günstig an einen Kredit wie die Kommunen! Dann werden die Häuser im Wege des Mietkaufs an die Familien vermietet. Am Ende hat die Gemeinde ihr Geld wieder reinbekommen und den Familien wirklich nachhaltig geholfen. Das wäre sozial und nachhaltig. Und das würde die armen Deutschen (siehe Statistik der EZB) ein bisschen reicher machen.
Herzlichst
Ulf Moritz
(1) Die dazugehörige Quelle: Bericht der Europäischen Zentralbank Nr.18 vom Dezember 2016 (Statistics Paper Series:The Household Finance and Consumption Survey:results from the second wave)
http://www.ecb.europa.eu/pub/pdf/scpsps/ecbsp18.en.pdf?d2911394a25c444cd8d3db4b77e8891a
(2) Bericht in der süddeutschen Zeitung Ausgabe 24.Dezember 2016: http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/vermoegen-abgehaengt-1.3307948
(3) Der Median bezeichnet den Wert, bei dem genausoviele über dem Wert liegen wie darunter. Nicht den Durchschnittswert.
(4) Förderung von Eigentum in Niedersachesen http://www.ms.niedersachsen.de/themen/bauen_wohnen/wohnraumfoerderung/eigentumsmassnahmen/wohnraumfoerderung-in-niedersachsen-14048.html
PS: auf das Thema bin ich durch ein Gespräch mit Martin Brinkmann gekommen. Danke für die Anregung!