Ich kann mich ja aufregen über die „große“ Politik. Man nehme nur TTIP, dieses Transatlantische Bündnis zum Schutz von Handel und Investitionen. Da schreibt die ARC auf ihrer Internetseite:
Internationale Handelsverhandlungen transparenter zu gestalten ist nicht immer einfach, da zu viel Offenheit ernsthaft die eigene Verhandlungsposition beschädigen und wertvolle Verhandlungsmasse verschenken könnte. ARC (Alliance for Responsible Commerce) ist eine Initiative, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, die Vorteile und den Nutzen des Freihandels sowie der Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft zu erläutern. (http://www.allianceforresponsiblecommerce.com/de)
Und so müssen denn die Abgeordneten, die die Verhandlungsunterlagen lesen wollen, in einen geschlossenen Raum, Handys abgeben, dürfen keine Notizen machen und mit niemanden darüber reden, was sie da gelesen haben. Spiegel Online am 28.1.16: „Das haben wir durchgesetzt“, sagt Gabriel. Er ist stolz auf das Büro mit acht Arbeitsplätzen und einem „Aufsehertisch“. Tatsächlich wird immer ein Vertreter des Ministeriums während einer Lese-Session anwesend sein, die Einsicht findet unter strenger Aufsicht statt.
Und darauf ist man in Berlin stolz. Transparenz wurde geschaffen für die Mitglieder des Bundestages. Das nenn ich mal eine valide Entscheidungsgrundlage, die die Abgeordneten sich da erarbeiten können. Fleiß ist angesagt! Und das Wahlvolk bleibt draußen vor.
Da haben wir es in Ganderkesee doch besser: Hier wird im Gemeinderat und in den Fachausschüssen diskutiert. Hier stehen die Unterlagen im Ratsinformationssystem (https://ganderkesee.ratsinfomanagement.net). Hier kann sich jeder Bürger informieren. Soll er glauben. Außerdem gibt es bei jeder Ausschusssitzung und auch bei den Sitzungen des Gemeinderates die Einwohnerfragestunde. Da bekommt man dann eine ordentliche Antwort. Oder auch nicht. Es gibt da welche, die fragen immer wieder nach der Eröffnungsbilanz (bei der Einführung der Doppik, die das kamerale Haushaltswesen 2010 abgelöst hat, musste wie in jeder Firma eine Eröffnungsbilanz erstellt werden.) Sie werden immer wieder vertröstet. Da nützt das Fragerecht auch nichts. Oder man wird gebeten, dann doch noch mal in der Verwaltung nachfragen. Das könne man jetzt auch nicht beantworten. Pech gehabt.
Das ist aber nur die Möglichkeit, wie Ganderkeseer Bürgerinnen und Bürger an keine (nicht verschrieben!) Informationen kommen. Es gibt ja das Ratsinformationssystem. Das ist schon ein phantastisches Instrument. Ich kenne es gut, denn ich habe viele Jahre verwaltungsintern damit gearbeitet. Ich kenne daher auch die ungenutzten Möglichkeiten. Die CDU – Fraktion hatte mal beantragt, dass ein System zur Beschluss- und Antragskontrolle eingeführt wird. Das ist Jahre her und im Internet nicht zu finden. Warum nur?
Das ist alles schon reichlich merkwürdig aber kein Weltuntergang. Wirklich problematisch ist das Misstrauen, welches Rat und Verwaltung gegenüber den Bürgern hegen. Ein Beispiel: Es gibt Newsletter aus dem Rathaus: einen zu den Pressemitteilungen und amtlichen Bekanntmachungen und einen zu den Veröffentlichungen im Ratsinformationssystem. Die habe ich mal abonniert und bekomme sie seitdem auch regelmäßig. Das jedenfalls funktioniert. So erhalte ich kürzlich die Information, dass am 18.2.16 eine Sitzung des Ausschusses für Wirtschaft und Finanzen stattfindet. TOP 6 lautet: „Warnsystem BIWAPP“. Da wollte ich doch gern wissen, was das „Warnsystem BIWAPP“ denn ist. Leider darf ich die Vorlage aber nicht sehen. Ich weiß nicht was das „Warnsystem BIWAPP“ ist, geht es um Hunde, Wirbelstürme oder Problemwölfe? Ich weiß nicht, warum der Ausschuss sich damit beschäftigt. Hat das irgendjemand beantragt oder ist das eine Idee der Verwaltung oder gar eine Vorgabe aus Hannover? Was schlägt die Verwaltung vor? Sollte man sich da einmischen oder lieber nicht?
Die Vorlage darf der interessierte Bürger erst am Tag vor der Sitzung also am 17.2. lesen. Ich habe man mal ein Ratsmitglied gefragt, warum das so ist und erhielt die treuherzige Antwort (sinngemäß): „Wir müssen uns doch selbst erst einmal informieren, was das ist und was wir davon halten. Wie stehen wir denn da, wenn der Bürger fragt und wir keine Antwort wissen.“ Schlichter kann man sein politisches Selbstverständnis auch nicht darstellen: Bürger, du störst unsere Meinungsbildung.
Interessant ist aber auch, worüber im Ratsinformationssystem nicht informiert wird. Gelegentlich liest man in der Presse, dass ein Arbeitskreis getagt hätte oder ein Thema in den Arbeitskreis verwiesen wird. Damit verschwindet ein Thema komplett in der Versenkung. Die Arbeitskreise, von denen es viele geben soll, sind nicht im System zu finden. Damit ist auch nicht bekannt, wer welchem Arbeitskreis angehört und wann der AK tagt.
Aber wie schreibt die ARC: ..da zu viel Offenheit ernsthaft die eigene Verhandlungsposition beschädigen und wertvolle Verhandlungsmasse verschenken könnte.
Der Grundsatz, dass Verwaltung und Ratsarbeit transparent sein sollen und dass Vertraulichkeit nur dort geboten ist, wo persönliche oder vertragliche Belange berührt werden, wird in Ganderkesee tagtäglich verletzt.
Man muss leider feststellen: Transparenz in der Ganderkeseer Politik= Fehlanzeige.
Mir fehlt was!
2 Gedanken zu „Ganderkeseer Durchblick Oder Transparenz in der Politik.“
Kommentare sind geschlossen.
Hallo Ulf,
bei uns in der Hansestadt Uelzen hat der Rat in seiner Geschäftsordnung geregelt, dass für die Öffentlichkeit die Tagesordnung, Vorlagen und Beschlussempfehlungen für den öffentlichen Teil von Ausschusssitzungen 4 Tage vor dem Sitzungstermin in das Internet gestellt werden.
Zur Einwohnerfragestunde ist in der Geschäftsordnung geregelt, dass, sollte eine Antwort während der Fragestunde nicht erfolgen können, der Bürgermeister dem Fragesteller in angemessener Frist und Form antwortet.
In der Regel erfolgt dies schriftlich, so meine Erfahrung.
Viele Grüße nach Ganderkesee!
Michael