Sonnenwinkel – Symbol eines Irrwegs

Klingt ganz gemütlich: Sonnenwinkel. Ist auch gemütlich Im Herzen Ganderkesees ruhig gelegen, kleine Wohnungen, bezahlbare Mieten – gemacht in den siebziger Jahren für Menschen im Ruhestand mit so üppigen Renten. Gebaut in Zeiten, da man in Ganderkesee viel investiert hat. Man schaute in die Zukunft, baute Häuser für Lehrer, die sonst nicht aufs Land kamen, baute Altenwohnungen und Altenheime, Schwimmbäder und Schulen. Sogar für die Jugendlichen entstanden Ende der siebziger die ersten Jugendzentren. Aufbruchstimmung. Eines war dem Rat der Gemeinde damals klar: Wenn wir was bewegen wollen, müssen wir es selbst machen. Unternehmen kommen nur dann, wenn es Gewinn gibt: Es muss sich rechnen.Mit dem Geldausgeben hat man es in der Gemeinde aber eine Zeitlang doch etwas zu gut gemeint. Und was macht man da? Man privatisiert. Erst den Reinigungsbereich, dann wurde überlegt den Bauhof auszugliedern – hat nicht geklappt. Aber den Sonnenwinkel, den konnte man gut verkaufen. 2004 wurde die ganze Anlage – 38 Wohnungen – inklusiver Betreuung an Einsiedel und Partner abgegeben. Firmenname: Hatter Senioren-Service GmbH. Der Verkauf war mit einer Reihe von Auflagen verbunden, die die Sicherstellung dieses umfassenden Angebots für Seniorinnen und Senioren umfasste. Außerdem hat die Gemeinde sich ein Rückkaufrecht vorbehalten.

Wohnung im Sonnenwinkel
So gemütlich hat man sich hier eingerichtet

Die Hatter Senioren-Service GmbH („HSS“) hat die Immobilie im Jahre 2012 an die Einsiedel Wohnen im Alter Ganderkesee GmbH 6 Co: KG („Einsiedel Wohnen“) verkauft. Hinter beiden Firmen stand/ steht der gleiche Eigentümer. Es handelte sich also um eine firmeninterne Risikoaufteilung, über die man auch an „frisches Geld“ kommen konnte. Daher wurde der Kaufpreis über Kredite finanziert und es war nötig, dass die Gemeinde Ganderkesee zugunsten der kreditgewährenden Bank auf ihr Wiederkaufrecht verzichtete.

Haus am Walde
Haus am Walde in Immer. Gehörte auch mal der Gemeinde: Altenheim Waldesruh

Die Auflagen zur Sanierung, die schon 2004 vereinbart worden waren, wurden bis heute nicht voll erfüllt.  Und nun soll die Hälfte der Wohnungen verkauft werden. An privat. Schaut man sich die Häuser an, wird ein inzwischen sehr großer Renovierungsstau sichtbar.

Es ist dasselbe Prinzip wie überall: Es gibt Besitz im Eigentum des Staates / der Kommune oder anderer dem Gemeinwohl verpflichteten Organisationen (Neue Heimat!). Geschaffen aus der Not, weil es kein anderer machte. Der Besitz wird verkauft, ausgeschlachtet, weiter verscherbelt, noch mehr runtergewirtschaftet und dann wie zum Beispiel der Wollepark in Delmenhorst zurückgekauft, nur um die Schrottimmobilie abzureißen.

Soweit sind wir am Sonnenwinkel noch nicht. Und es gibt unterschiedliche Aussagen über den Zustand der Wohnungen. Also muss man erst einmal prüfen, was Sache ist. Aber schon werden einerseits die Forderungen laut: auf jeden Fall zurückkaufen. Andererseits formieren sich ebenfalls im Vorfeld die Bedenkenträger: Vielleicht kann jemand anderes das übernehmen.

Es ist eine grundsätzliche Entscheidung zu fällen, um die sich alle gern herumdrücken: Was soll die Gemeinde tun? Sich auf die sogenannten Kernaufgaben beschränken? Also keine Jugendzentren, keine VHS, keine Sauna, kein Freibad, kein Haus Müller?  Oder doch diese Einrichtungen, jeweils mit einem klaren Auftrag – und welcher ist das im Jugendzentrum, in der VHS, im Freibad.

Wollen wir, dass die alten Menschen in dieser Gemeinde bleiben können, auch wenn sie sich keine „Seniorenresidenz“ leisten können?

Es sind immer wieder Initiativen von Mehrheiten abgeschmettert worden, die eine andere Baupolitik forderten: Mehr kleine und für junge und alte Menschen bezahlbare Wohnungen zu bauen, notfalls auch selbst als Gemeinde, weil die Preise auf dem freien Markt in den letzten Jahren explodieren. Im „Sonnenwinkel“ sind es kleine Wohnungen im unteren Preissegment und teilweise sogar Sozialwohnungen.

Die Mobilfunktunternehmen versprachen viel. Jetzt in Zeiten der Pandemie wird deutlich, dass selbst mit finanzieller Unterstützung der Gemeinden und Kreise kein „Internet für alle“ erreicht wird. Der Markt, der alles regelt, ist da.

Funkturm

Aber er regelt nach dem Prinzip: Es muss sich rechnen.  Und daher gibt es in Ganderkesee immer noch Regionen, in denen man froh sein darf, überhaupt Internetanschluss zu haben. Homeoffice oder Homeschooling ist damit aber nicht möglich.

So bleibt als Resümee nur: Wenn Ganderkesee ein freundliches Gesicht haben soll, dann muss sich die Gemeinde – Rat und Verwaltung – selbst drum kümmern. – und dafür Geld in die Hand nehmen!

Herzlichst

Ulf Moritz

 

Mobilfunkturm Bild von Hands off my tags! Michael Gaida auf Pixabay
Bilder Ulf Moritz

2 Gedanken zu „Sonnenwinkel – Symbol eines Irrwegs“

  1. Sehr gute Darstellung. Dem kann ich nur zustimmen. Die Aussage, dass die Gemeinde dafür Geld in die Hand nehmen muss, ist völlig richtig.

  2. Die richtige und, wie ich meine, wegweisende Richtung für unsere Politik in unserer Gemeinde.

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