Viele sagen, dass der Wettbewerb auf dem Markt schon dafür sorgen wird, dass genug für die kleinen Leute übrig bleibt. Möge mir der geneigte Leser und natürlich auch die geneigte Leserin einmal folgen, was der Markt so hervorbringt.
Da ist zum Beispiel der Abfalleimer mit Deckel für das Bad. In Gold. Muss man haben. Kostet auch nur 909,60 Euro. Naja, der Markt bietet ja auch den Abfalleimer für Arme für 26 Euro. Ist dann aber auch nur Edelstahl. Ist doch alles gut. Bei diesem Beispiel: ja. Soll doch, wer es sich leisten kann, den Abfalleimer aus Gold kaufen. Auch das schafft und erhält Arbeitsplätze. Und es ist für jeden gesorgt, niemand nimmt Schaden.
Aber der Markt regelt nicht alles so, dass niemand Schaden nimmt. Zum Beispiel Wohnungen: Wenn ein Wohnungsbesitzer in einer viel besuchten Großstadt wie Berlin mehr Gewinn aus seinem Besitz schlagen will, dann geht er zu Airbnb. Biete ich dort nur ein Zimmer für zwei Personen an, so sagt mir die Firma, dass ich im Monat 583 Euro dazuverdienen könnte. Wohlgemerkt: Für ein Zimmer, nicht für die ganze Wohnung. Für dasselbe in Ganderkesee verspricht Airbnb übrigens 426 Euro. Wie man dem Artikel in der Zeit /Link siehe unten) entnehmen kann, ist das ein wachsender Markt. Und die Wohnungen fehlen dann auf dem Markt für die Menschen, die dort leben und eine Wohnung suchen. Kollateralschaden?
Und Neubau? Es werden doch so viele neue Wohnungen gebaut. Geld verdienen kann man mit seinem Kapital auch nur noch, in dem man es in Betongold anlegt. Zinsen gibt es bei den Banken doch schon lange nicht mehr. (Nur mal zwischen durch: Wenn Banken für zu viel Geld im Tresor Strafzinsen zahlen müssen, dann sollten sie doch froh sein, wenn ich bei ihnen Geld leihe. Warum muss ich dann für meinen Kredit noch Zinsen bei ihnen bezahlen??). Aber die Metropolen wie Berlin und die Dörfer wie Ganderkesee zeigen es: Gebaut wird nur für eine zahlungskräftige Kundschaft. Wie sagte Peter Meyer (Fachbereichsleiter Gemeindeentwicklung bei der Gemeinde Ganderkesee: Im sozialen Wohnungsbau „ist die Gemeinde von der Zielvorgabe eine ganze Ecke entfernt“. (http://ulf-moritz.net/bezahlbare-wohnungen/#more-941) Man lässt die Bauträger halt einfach machen, was sie wollen. Die freien Kräfte des Marktes nur ja nicht durch Regeln behindern!
Es ist aber ein Märchen, dass bezahlbare Mietwohnungen freiwerden, wenn man nur genug Häuser für die etwas besser Verdienenden baut. (Wobei besser verdienen hier nicht im Sinne der FDP gemeint ist!)
Weil der freie Markt bei den Grundbedürfnissen der Menschen – wie dem Bedürfnis nach einer angemessenen Wohnung – noch nie funktioniert hat, waren die Politiker zu allen Zeiten gehalten, sich Wege zu überlegen, wie man diese Bedürfnisse befriedigt. Das ist nicht einfach und das geht nicht ohne staatliche Eingriffe.
Wien ist noch heute – obwohl Weltstadt – bekannt für seinen sozialen Wohnungsbau. Es gibt da nicht nur den berühmten Karl-Marx-Hof aus den zwanziger Jahren, sondern auch heute noch gibt es Wohnungsbau der Stadt Wien. „In Wien gibt es 1.800 Gemeindebauten, in denen ca. 500.000 Menschen wohnen“1. Bei 1.8 Millionen Einwohnern (2018) sind das rund ein Viertel aller Wiener!)
Und weiter heißt es auf derselben Interseite
der Stadt Wien: „Nachdem Wien bereits über einen sehr großen Gemeindewohnungsbestand verfügt, wurde der Neubau für einige Jahre ausgesetzt. 2015 entschied sich die Stadt Wien – aufgrund der gesteigerten Nachfrage nach besonders kostengünstigem Wohnraum – dazu, wieder Gemeindewohnungen zu errichten.“
Hat nicht geklappt mit der Deregulierung.
Nur so funktioniert es sozial: Den Markt an die Leine legen. Genossenschaften fördern und als Gemeinde selbst bauen. Dann kann man übrigens auch ökologisch sinnvoll bauen. Man hat es selbst in der Hand.
Herzlichst
Ulf Moritz
1) Zitat aus der Internetseite: https://www.wienerwohnen.at/wiener-gemeindebau/wiener-gemeindebau-heute.html
Näheres über den Karl-Marx Hof: https://de.wikipedia.org/wiki/Karl-Marx-Hof
Wien ist überall und überall ist es nicht sehr anders. Aber es ist doch sehr gut, das immer wieder zu benennen und nicht einfach so zu übergehen. Schön, dass du die Themen immer wieder so nachvollziehbar in ihren Zusammenhängen aufgreifst!