Die Wellen schlagen hoch in Ganderkesee: Die SPD hat den Antrag gestellt, Sitzungsunterlagen zeitgleich mit der Veröffentlichung der Tagesordnung einer Sitzung auch für die Bürger im Ratsinformationssystem zugänglich zu machen. Das hat der Verwaltungsausschuss in vertraulicher Sitzung abgelehnt. Begründung laut Verwaltung: Die Ratsmitglieder sollen ohne Störung durch die Öffentlichkeit sich in Ruhe eine Meinung bilden können. „Die durch vorzeitige Veröffentlichung entstehende >>öffentliche Meinung<< mache eine unvoreingenommene Beratung in der Sitzung >>problematisch<<“ (DK am 2.10.20).
Mal abgesehen davon, dass die SPD diese Debatte gerne in der öffentlichen Ratssitzung und nicht hinter verschlossenen Türen im VA geführt hätte, muss man sich doch eines vor Augen führen: Wie läuft die Beratung eines Antrages ab, wie kommt es überhaupt zu einem Antrag?
In der Regel diskutiert ein Ratsmitglied mit den Bürgern über eine bestimmte Problematik. Wenn er dann überzeugt ist, dass dieses Anliegen ein wichtiges sei, dann stellt er oder auch seine Fraktion einen Antrag, dieses Thema in der nächsten Sitzung des zuständigen Ausschusses zu diskutieren. Zeitgleich schickt er den Antrag auch an die Presse, denn jede Partei hat das Interesse, dass die Bürger erfahren, was sie Positives tut. Gelegentlich recherchieren die Radakteure auch noch selbst und holen zum Beispiel die Meinung anderer Fraktionen oder Bürger ein.
Damit ist das Thema in der Welt und alle sind eingeladen, sich dazu eine Meinung zu bilden.
Zunächst bildet sich aber die Verwaltung eine Meinung und schreibt diese in eine Sitzungsvorlage mit einer Beschlussempfehlung für die Beratung. Diese erhalten die Ratsmitglieder mit der Einladung und der Tagesordnung.
Und nur diese Vorlage wird den Bürgern vorenthalten.
Das bedeutet nichts anderes, als dass die Verwaltung ihre Meinung, ihren Beschlussvorschlag vor den Bürgern schützt. Und sie sorgt damit dafür, dass die Ausschussmitglieder nur die Meinung der Verwaltung zu hören bekommen. Die Ratsmitglieder sollen sich mit der Meinung der Verwaltung auseinandersetzen ohne eine „problematische öffentliche Meinung“.
Die Ratsmitglieder aller Parteien sollten sich nicht so von der Verwaltung einspannen lassen, die sich hier zwischen die Ratsmitglieder und die Bürger stellt. Demokratie lebt von der Diskussion. Diskussionen werden um so besser zu führen sein, je besser alle Teilnehmer informiert sind. Die Verwaltungsmeinung kann ein wichtiger Teil davon sein.
Vertraut die Verwaltung nicht auf die Qualität ihre Vorlagen? Vertraut sie sich selbst nicht?
Fragen über Fragen!
Herzlichst
Ulf Moritz
Quellen:
Delmenhorster Kreisblatt, Nordwestzeitung vom 2.10.20
PS: Es geht nur um öffentliche Sitzungsvorlagen!
Wie sagte noch ein SPD Mitglied des Bundestages auf einer Veranstaltung im Schwarzen Ross (sinngemäß): „Die Bundestagsverwaltung genügt sich selber, sie braucht weder die Politik noch das Volk“. Und das kann man getrost auf viele anderen Ebenen übertragen.