„Schlurf nicht so – Heb die Füße!“ Das musste ich mir als Kind als Mahnung meiner Eltern häufig genug anhören – für mein Gefühl: zu häufig. Es galt auch vor allem in der Wohnung. Draußen waren die Wege so schlecht, dass jeder sowieso die Füße hob, sonst wäre er gestolpert. Die Fußwege waren damals meistens fest gestampfter Sand oder Kies oder so. Ich kann mich nicht so genau erinnern. Jedenfalls konnten wir Kinder nach dem Regen immer toll Kanäle von Pfütze zur Pfütze bauen.
Heute ist alles anders. Die Wege sind gepflastert. Die Pflasterung ist alt und die Platten sind teilweise ganz schön abgesackt. Den Kindern macht das nichts aus. Unsere Gesellschaft wird aber zusehends älter. Als ich 1978 nach Ganderkesee kam, sah ich fast keine alten Menschen, die mit Rollstühlen zum Einkaufen fuhren. Rollatoren gab es damals gar nicht. Die einzige Erleichterung beim Einkaufen war der „Hackenporsche“. Da musste man nicht so schwer tragen. Und das ist heute anders.
Damals wurde Verkehrsplanung auch in Ganderkesee fast ausschließlich aus der Sicht des Autofahrers betrieben. Auch das sollte heute anders sein. Heute kann man im Entwurf zu einem Verkehrsentwicklungsplan (VEP) schon auf Seite 1 lesen: „Um eine Verbesserung der Verkehrsverhältnisse erreichen zu können, ist es notwendig, ein integriertes Verkehrsnetz zu erstellen. In diesem sind die Belange der einzelnen Verkehrsteilnehmer (Fußgänger, Radfahrer, motorisierter Individualverkehr und öffentlicher Verkehr) zu vernetzen.“
Also Fußgänger und Radfahrer sind schon dabei. Denkste. Schon auf Seite neun, nachdem manch eine Bemerkung über das Radwegenetz gemacht wurde, kann man lesen: „Die Anlagen des Fußverkehrs sind nicht explizit eingezeichnet. Wo es Nebenanlagen für den Radverkehr gibt, ist ein Fußweg in jedem Fall vorhanden.“ Immerhin ist ein fußweg vorhanden – soll man wohl schon zufrieden sein.
Über die Radwege steht allerding schon eine Seite vorher:
„Im Hauptort Ganderkesee sind demnach die meisten Radwege um weniger als 20 cm zu schmal (circa 56 %). Der verbleibende Anteil an Radverkehrsanlagen unterschreitet die vorgeschriebenen Mindestbreiten noch deutlicher. An dieser Stelle seien die Nebenanlagen des Schlutterweges (K 347), der Bergedorfer Straße (K 232) sowie des Habbrügger Weges genannt, welche deutlich zu schmal sind. Auch im Bereich des Rings (K 232, K 347) wird der erforderliche Platzbedarf für Radfahrer und Fußgänger nicht gewährleistet.“ (Seite 8)
Man liest also im VEP, welche Mängel es für Radfahrer gibt. Keiner ist so breit, wie er sein sollte. So stehts geschrieben. Immerhin mal ein Anfang, aber auch nicht mehr. Denn die Fußgänger werden nicht gesondert betrachtet. Und zu den Fußgängern gehören nun mal auch die Menschen, die Hilfsmittel für ihre Mobilität benötigen und die, die mit einem Kinderwagen einem Radfahrer am Ring gegenüber von Stöber(K 232, K 347) begegnen. Da geht gar nichts mehr.
Barrierefreiheit ist leider auch kein generelles Thema sondern anscheinend nur bezogen auf bestimmte Einrichtungen, wie Haltestellen und Querungen.
Geh ich durch Ganderkesee, dann fällt mir folgendes auf:
- Schmale Bürgersteige. Und wenn dann noch die Tonnen zwecks Leerung dort stehen, muss ich als einzelner Fußgänger schon auf die Straße.
- Bürgersteige in schlechtem Zustand (abgesackte und kaputte Gehwegplatten) für Menschen mit Rollatoren echte Stolperfallen.
- Bürgersteige, die auch für den Radverkehr freigegeben sind. Dafür aber in der Regel zu schmal (siehe oben Zitat aus dem VEP)
Der Entwurf eines VEP wäre nochmal aus der Sicht von Fußgängern, Gehbehinderten nachzuarbeiten. Der Hinweis im Maßnahmenkatalog „Allgemein: Mindestbreite für Gehwege 1,80m plus Sicherheitsstreifen“ ist so allgemein, dass er sicher folgenlos bleiben wird.
Übrigens kann man in den Pfützen auf den Gehwegen heutzutage nicht mal mehr so schön spielen. Oder wissen Sie, wie man in eine eh schon kaputte Gehwegplatte eine Rinne zieht, um ein Meer mit dem anderen durch einen Kanal zu verbinden?
Herzlichst
Ulf Moritz
Hier geht es zur Online Beteiligung am Verkehrsentwicklungsplan. Es lohnt sich mal rein zu schauen . https://www.gemeindeganderkesee.de/vep0.html
Die Grünen scheinen meine Meinung zu teilen! Freut mich. So steht heute in der NWZ:
„Die vorhandenen Nebenanlagen würden zu einem großen Teil eine ungehinderte und sichere Nutzung nicht zulassen, so Schulz-Behrendt. Für Rollatoren oder Fahrradanhänger seien sie nicht breit genug. Radfahrer, die die Fahrbahn nutzen, würden sich gegenüber den Kraftfahrzeugen unterlegen fühlen. Es sei daher verständlich, dass viele – auch für Kurzstrecken – lieber ins Auto statt aufs Fahrrad stiegen. “
https://www.nwzonline.de/ganderkesee/ganderkesee-verkehr-gruene-fordern_a_32,0,2336851556.html