Der Kampf ums Land

Die Zwangsruhe, die uns der Corona Virus verordnet, bringt ja mehr Zeit, die man auch zum Nachdenken nutzen kann. Und das fällt mir auf: Da läuft was schief in unserer Gemeinde. Nicht nur hier, aber auch hier. Alle brauchen Land und Land ist begrenzt. Die Süddeutsche Zeitung veröffentlichte am 4./5. April 2020 unter dem Title „Bodenlos“ einen Report zum Kampf um das Land.  Schon im Teaser schreiben sie: „Wer Landwirtschaft betreiben will, braucht Land. Doch seitdem Investoren den Boden als sichere Geldanlage entdeckt haben und Kommunen  für ihre Bürger im großen Stil Bauflächen sichern wollen, wird das wichtigste Produktionsmittel der Bauern knapp und teuer.“

In Ganderkesee steigen die Bauern aus dem Projekt Flurbereinigung Welsetal aus. Der Grund ist laut Onno Osterloh in der Nordwestzeitung (7.4.20) „Für uns Landwirte wäre das dagegen mit Flächenverlusten von bis zu 18 Hektar verbunden gewesen.“

Entwicklung Bodenpreise in DeutschlandWas bedeutet das: 18 Hektar abgeben? Die Bodenpreise haben sich in Deutschland in den letzten Jahren um jährlich rund 12 % verteuert und liegen nun je nach Qualität und Lage zwischen 20.000 und Spitzenwerten von 50.000 (in Schleswig Hollstein) für einen Hektar landwirtschaftlich genutzte Fläche.

18 Hektar abzugeben bedeutet also schon eine Menge.

Ein Hof, der wirtschaftlich arbeiten will, muss große Flächen haben, sprich besitzen oder dazu pachten. Das gilt nicht nur für konventionell betriebene Höfe sondern genauso für Bio Bauern.

Und Land ist auch in Ganderkesee knapp. Es sollen Wohnungen gebaut werden. Es soll Naturschutz betrieben werden. Es soll das Welsetal renaturiert werden, in dem links und rechts der Welse ein 10 Meter breiter Streifen aus der landwirtschaftlichen Nutzung herausgenommen wird. Es werden Gewerbegebiete entwickelt. Das  Gebiet Ganderkesee West (4,5 Hektar) ist inzwischen voll und weitere Flächen sollen kommen.

Ganderkesee ist ein Ort, in dem es sich gut leben lässt. Wir haben (fast) alles hier vor der Haustür. Arbeitsplätze, Einkaufsmöglichkeiten, Schulen, Kindertagesstätten, schnell auf der Autobahn oder im Zug. Viele Menschen und besonders junge Familie wollen daher nach Ganderkesee ziehen. Jedes weitere Wachstum verbraucht Land: Egal ob wir mehr Landwirtschaft, mehr Naturschutz, mehr Gewerbe, mehr Wohnungen wollen. Auch so umweltfreundliche Ideen wie die eines Radwegenetzes in Ganderkesee benötigen zur Umsetzung Land.

Und das ist begrenzt: Fläche der Gemeinde in km²: 138,26 entspricht 13.826 Hektar. Und diese 138 Quadratkilometer sollen all diese Nutzungen beherbergen. Es ist aber  kein Brachland da. Alles in Benutzung, was bedeutet, dass ein Bereich nur auf Kosten des anderen wachsen kann. Bislang ging das Wachstum für Wohnen und Gewerbe immer dadurch, dass der Landwirtschaft Flächen entzogen wurden. Nicht zwangsweise, aber Bauland ist nun mal teurer als Weideland. Da hat mancher Landwirt, der seine Wirtschaft aufgeben musste, gerne auch verkauft. Und so geht die landwirtschaftlich genutzte Fläche kontinuierlich zurück: in Niedersachsen von 2,8 Millionen Hektar 1960 auf jetzt 2,6 Millionen Hektar 2016.  Ein Minus von 200.000 Hektar.1)

Wir müssen also nachdenken.

Bei jedem neuen Baugebiet muss nicht nur überlegt werden, was wir gewinnen, sondern auch, was wir verlieren. Und das gilt genauso für Gewerbegebiete und Straßen und alles andere. Jede Entscheidung für etwas ist auch gleichzeitig eine Entscheidung gegen etwas anderes. Dafür brauchen wir Kriterien, die die künftigen Entscheidungen leiten und nachvollziehbar machen. Die Entwicklung solcher Kriterien muss in einem öffentlichen Diskurs erfolgen. Nur dann werden sie auch von den Menschen in Ganderkesee getragen.

Zurzeit sind wir alle durch das Corona-Virus in unseren Tätigkeiten gebremst. Nutzen wir die Zwangspause, über unsere Zukunft nachzudenken.

Herzlichst

Ulf Moritz

 

Zu den Bodenpreisen siehe auch: https://www.agrarheute.com/management/finanzen/europa-preise-fuer-agrarland-fallen-ausser-deutschland-562280

1)Quelle der Zahlen: „Die niedersächsische Landwirtschaft in Zahlen“ herausgegeben von dem Nds. Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz 2017