NWZ 16.9.17

Leitbild für Ganderkesee?

Die Zeitung macht, was die Parteien hätten tun sollen.

Die NWZ sammelt Wünsche von Bürgern für die Gemeinde

Im Ausschuss für Straßen und Verkehr am 6.September konnte man es wieder erleben. Bestimmt vierzig Menschen waren als Zuhörer gekommen, um der Abschaffung der Straßenausbaubeitragssatzung beizuwohnen. Wenn auch die kleinen Parteien vehement die Abschaffung forderten, die Bürgermeisterin auch noch eine Brücke baute, so scheuten sich doch die großen Parteien davor, einen  konsequenten und radikalen (welch schlimmes Wort!) Schnitt zu wagen. Mit ihrer erdrückenden Mehrheit wurde mal wieder die Verwaltung beauftragt, was zu erarbeiten, hinter dem man sich dann verstecken kann.

Interessant waren auch die Beiträge, mit denen die Ablehnung einer radikalen Abschaffung begründet wurde. Spitze dabei: Eine Abschaffung der Satzung und das für Straßensanierungen notwendige Geld aus einer Anhebung der Grundsteuer zu finanzieren ginge deshalb nicht, weil man den zukünftigen Politkern ja nicht trauen kann. Die könnten ja, da alle Einnahmen einer Gemeinde für alle Ausgaben zu verwenden sind, zweckgebundene Einnahmen aus haushaltsrechtlichen Gründen verboten sind, das Geld einfach für was anderes verwenden! Haben die Politiker wirklich recht damit, dass man der Politik nicht trauen kann? Sie müssen es ja wissen.

Bislang dachte ich ja, die Aufgabe der Parteien sei, an der Meinungsbildung der Bevölkerung mitzuwirken. („Die Parteien wirken an der politischen Willensbildung des Volkes mit. (Artikel 21 des Grundgesetzes). Sie sollen weder ihr Fähnchen nach dem Wind (des Volkes) hängen noch der Abnicker der Verwaltung sein.“ schrieb ich am 12.9.16 in diesem Blog. Nun scheinen sich zumindest die großen Parteien lieber ganz raus zu halten.

Da springt die Nord-West Zeitung  in die Bresche. Sie hat entdeckt, dass man da doch mal was Verkaufssteigerndes machen kann. Wenn sich schon die Parteien nicht um die Wünsche der Bürger kümmern, dann übernimmt die NWZ kurzerhand diese Rolle und „sammelt Wünsche von Bürgern für die Gemeinde.“ So in dem Untertitel des heutigen Beitrages: „Nun sag, wie hast du’s mit Ganderkesee?“

„Vor 500 Jahren sah Martin Luther, wie reformbedürftig die Kirche war. Was folgte, ist Geschichte. Aber auch in der heutigen Zeit sind Visionen wieder gefragt. Die „Zeitung für Ganderkesee“ stellt nun die Gretchenfrage und möchte von den Bürgern ihre „Thesen für Ganderkesee“ wissen.“

Zeitung für Ganderkesee und Martin Luther. Ganz schön mutig. Heute sieht also die NWZ, wie reformbedürftig die Gemeinde Ganderkesee ist. Da sie im Gegensatz zu Luther keine eigenen Ideen hat, fragt sie die Bürger.

Bislang dachte ich ja, die Aufgabe der Presse wäre zu berichten und vielleicht auch noch zu kommentieren. Politik und Presse scheinen die Rollen zu tauschen. Wie wird das dann in Zukunft aussehen?

Die Zeitung sammelt die Bürgerwünsche. Macht vielleicht auch noch eine Abstimmung über die Prioritäten, die die Bürger gesetzt haben wollen. Gibt das ganze Paket an die Verwaltung und diese bereitet das alles so auf, dass alle Ratsmitglieder nur noch ja sagen können (dürfen). Die Zeitung mit der größten Verbreitung in Ganderkesee hat dann selbstverständlich den größten Einfluss, sonst wäre das ja undemokratisch. Zählen dann die kostenlosen Sonntagszeitungen mit?

Klingt alles nicht so gut. Aber was soll man machen, wenn die großen Parteien ihre Aufgabe, an der Willensbildung mitzuwirken, nicht wahrnehmen. Auch der Versuch, die Beteiligung der Bürger auf die Verwaltung abzuschieben hatte ja nicht funktioniert (siehe http://ulf-moritz.net/ruhe-in-frieden/).  Also schauen wir uns mal an, was aus der Initiative der NWZ wird und wie die Presse dann die Politik vor sich hertreibt.  Vielleicht wird daraus aber auch ein Weckruf und jeder besinnt sich auf seine Aufgaben in einer funktionierenden Demokratie.

Wer weiß!

Herzlichst

 

Ulf Moritz

 

 

https://www.nwzonline.de/oldenburg-kreis/politik/ganderkesee-thesen-nun-sag-wie-hast-dus-mit-ganderkesee_a_32,0,3607409101.html