Herzlichen Glückwunsch Sophia Loren! Nun bist du 83 Jahre alt, warst die Superfrau des Films, wunderschön und das auf eine natürliche Art und Weise, immer handfest, immer erotisch und das ganz ohne Nacktfotos. Weltberühmt und ohne Skandale. Sogar die NWZ gratuliert und stellt auch ein Foto von dir auf der Seite drei zur Schau. Oh Schreck. Das hättest du dir nicht antun müssen. Von Natürlichkeit keine Spur mehr. Pflegenotstand bekommt hier einen anderen Klang als an vielen anderen Stellen in der heutigen NWZ.
Man kann da heute zu lesen:
Seite 1.„Alzheimer: Massiver Anstieg“.
Seite 2 „Wettbewerb um Konzept gegen Pflegenotstand“
Seite 4 „Alter Trick verschleiert Altersarmut“
Seite 29 „Arbeitsmarkt ist leer gefegt“ und damit sind wir beim Pflegenotstand in Ganderkesee und um zu angelangt.
In jedem Artikel geht es um einen skandalösen Zustand: Für immer mehr pflegebedürftige Menschen gibt es zu wenig Pflegepersonal. Bundesweit und eben auch in Ganderkesee. Die Arbeitsbedingungen sind hart, die Bezahlung mäßig. Die Krankenstände des Personals sind hoch und die Frühverrentungsquote steigt. „Schlimm, schlimm“ sagen alle Politiker und jetzt im Wahlkampf überbieten sie sich mit Konzepten gegen den Pflegenotstand. (siehe Seite 2). Mehr Personal, eine bessere Bezahlung und mehr Plätze in den Einrichtungen. Das versprechen sie alle. Sie sind aber alle weit weg von der täglichen Praxis. Die klingt so: „Im Bookholzberger Wohnpark an der Ellerbäke wurden vor einiger Zeit die Gehälter auf Tariflohn angehoben.“ Kann man da heute in der NWZ lesen.
Diesen Satz lassen wir uns mal auf der Zunge zergehen. Erste Aussage: Es gibt einen Tariflohn. Zweite Aussage: Dieser Tariflohn wurde bis vor einiger Zeit nicht gezahlt, sondern weniger. Dritte Aussage: Jetzt wird Tariflohn bezahlt und zwar weil, wie man weiter lesen kann, sonst die Leute weglaufen.
Die Situation in den Pflegeheimen heute ist das Ergebnis einer langen Entwicklung. Die Gemeinde Ganderkesee hatte einmal ein eigenes Altenwohn- und Pflegeheim in Immer. Dieses Haus gibt es immer noch, nur wird es inzwischen privat betrieben. Die Begründung für die Privatisierung damals war: Mit tariflich bezahlten Pflegekräften kann man kein Pflegeheim wirtschaftlich führen. Die Gemeinde beschloss also, das Heim zu verschenken, um diesen Kostenfaktor los zu werden. Das Personal wurde für ein Jahr zu den alten Bedingungen zu übernommen (dazu war der neue Betreiber nach BGB § 613 a verpflichtet). Gleichzeitig erhielten alle Mitarbeiter eine Änderungskündigung. Ihnen wurde ein neuer Arbeitsvertrag zu schlechteren Bedingungen angeboten, was die meisten von ihnen zähneknirschend annahmen. So werden bis heute Tarifverträge ausgehebelt. So verlor die Gemeinde Ganderkesee attraktive Arbeitsplätze. So verlor die Gemeinde wie viele andere Gemeinden aber auch ihren Einfluss auf die Gestaltung der Pflege. Jetzt ist die Klage groß.
Es gibt Bereiche im Leben, die kann man nicht nur wirtschaftlich betrachten. Und das sind alle Bereiche, in denen es um Menschen geht: Alten- und Krankenpflege und auch die Bereiche der Vorsorge: Sportförderung, Freibäder, Bildung. Der Markt wird es nicht zum Besseren sondern häufig nur zu Grunde richten.
Ob der Schwarm meiner Jugend, Sophia Loren ihr Gesicht verhunzt und durch Schnibbelei zum Pflegenotstandsgebiet macht, ist ihr Problem. Sie kann sich auch jederzeit jede weitere Korrektur leisten.
Wie wir mit unseren pflegebedürftigen Menschen in Ganderkesee umgehen, wie wir mit den Menschen umgehen, die diese pflegen sollen und wollen, das ist unser aller Problem. Nicht nur im Wahlkampf sondern heute, morgen, übermorgen.
Sind wir mit der Bäder GmbH auf dem gleichen Weg? Die Gesellschaft wurde ja ausdrücklich auch deswegen gegründet, damit man mit dem Personal flexibler umgehen kann und nicht an Tarifverträge gebunden ist. Das spart. Wie sehr das spart, werden wir sicher nach den Wahlen irgendwann mal erfahren.
Herzlichst
Ulf Moritz
Zu Seite 1: https://www.nwzonline.de/seite1/wiesbaden-gesundheit-alzheimer-massiver-anstieg_a_32,0,3788860855.html
Zu Seite 2: https://www.nwzonline.de/politik/berlin-wahlkampf-wettbewerb-um-konzept_a_32,0,3788825553.html