Ich gebe es ja zu, ich habe etwas gegen die betriebswirtschaftliche Betrachtungsweise unseres Lebens. Ich habe was dagegen, einer Kosten-Nutzenanalyse unterzogen zu werden. Tut ja keiner? Doch – das passiert überall und täglich. Und die Folgen sind schlimm.
Heute war im Radio (NDR 2) zu hören: In Goslar gibt es eine Problem mit den Bussen, die für die Schülerbeförderung eingesetzt werden. Die Polizei hat sie wegen technischer Mängel stillgelegt.
Der NDR: „Die Polizei hatte an fünf Fahrzeugen erhebliche Mängel festgestellt. Drei Busse des Unternehmens, das im Auftrag der RBB zahlreiche Linien bedient, hätten derart gravierende Mängel gehabt, dass sie sofort hätten stillgelegt werden müssen. Die Behörden gingen deshalb auf Nummer sicher und zogen alle zehn Fahrzeuge des Unternehmens vorübergehend aus dem Verkehr.“
Es handelt sich um ein privates Busunternehmen, welches im Auftrage der Regionalbus Braunschweig GmbH (RBB) als Subunternehmen eingesetzt wurde. Der RBB-Sprecher beteuerte, dass die Busse der Subunternehmen von der RBB regelmäßig überprüft werden. Die RBB ist übrigens ein Tochterunternehmen der Deutschen Bahn AG.
Und was hat die mit Betriebswirtschaft zu tun? Der Landkreis Goslar schreibt die Schülerbeförderung aus. Die RBB erhält den Zuschlag und beauftragt einen Subunternehmer. Der setzt nicht verkehrstüchtige Busse ein, um Kosten zu sparen. Wahrscheinlich zahlt er auch nicht nach Tarif – aber das ist jetzt nur eine Vermutung. Jedenfalls hat die RBB einen finanziellen Nutzen davon. Sonst würde sie es ja nicht tun. Sie rechnen nämlich betriebswirtschaftlich. Dabei steht der Gewinn im Vordergrund. Natürlich stehen sie in der Betreiberhaftplicht gegenüber dem Landkreis für die Sicherheit in der Schülerbeförderung, die sie übernommen haben. Ich frage mich allerdings, wie sie die gravierenden Mängel, die der Polizei aufgefallen sind, übersehen konnten.
Das erinnert mich an meine frühere Tätigkeit in der Verwaltung. Auch da haben wir Aufträge nach öffentlicher Ausschreibung vergeben. Und wir haben sehr zur Verwunderung der Firmen, die den Auftrag erhalten haben, hingeschaut, wie sie arbeiten und wie sie mit ihren Beschäftigten umgehen. Da ist schon mal eine Firma auch wieder rausgeflogen.
Ich will es mal anders bezeichnen: die rein betriebswirtschaftliche Denke führt eben dazu, dass die Firmen unter Druck geraten und auf Biegen und Brechen Kosten sparen wollen. Wer also Sicherheit oder Qualität haben will, muss in Kontrolle investieren. Oder es gleich selber machen.
Und noch ein Aspekt muss bei der Vergabe von Aufträgen beachtet werden, der in keine betriebswirtschaftliche Betrachtung passt. Menschen in Subunternehmen verdienen in der Regel wenig – zu wenig, um für das Alter etwas zurücklegen zu können.
Die Bürgerstiftung Ganderkesee hat am 25.8.16 in Ganderkesee einen Vortrag organisiert. Herr Professor Rademacher von der Jade Hochschule Oldenburg hat über die Zukunftsaussichten für Ganderkesee berichtet. Die Entwicklung wird auch in Ganderkesee so sein, dass die Menschen sich im Alter keine Wohnungen werden leisten können, die heute auf dem Markt sind. Er sagte, wir werden wieder lernen müssen, mit kleinen Wohnungen auszukommen. Kleine Wohnungen heißt eine Wohnfläche von 25 – 28 m² für zwei Personen. (Seite 33 seines Vortrages. Link siehe unten).
Und was heißt das für Ganderkesee:
Der Rat der Gemeinde Ganderkesee muss dringend eine andere Wohnungspolitik betreiben. Er muss selbst gestalten, was und wo gebaut wird. Und er darf es nicht irgendwelchen Bauträgern überlassen, das zu bauen, was betriebswirtschaftlich für sie gut ist. 20% eines Baugebietes für sozialen Wohnungsbau zu reservieren, ist nicht genug. Es müssen kleine Wohnungen gebaut werden. Nebenbei bemerkt: Es muss auch mal wieder ein Baugebiet für Familien mit Kindern zum Vorzugspreis ausgewiesen werden. Hatten wir lange nicht mehr.
Und der Rat der Gemeinde Ganderkesee muss sich ganz genau überlegen, ob er zum Beispiel die Reinigung noch einmal ausschreibt oder die Reinigungsdienste wieder mit eigenem, tariflich bezahlten Personal durchführen will.
Wer alles dem Markt überlässt, schafft Altersarmut.
Herzlichst
Ulf Moritz
http://www.bürgerstiftung-ganderkesee.de/wp-content/uploads/2016/08/Wohin_geht_die_Reise.pdf